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01.12.2022 iCal Google

Die einmonatige Spendenkampagne für die Seenotrettung, welche im Rahmen der diesjährigen “Wochen der Toleranz” stattfand, ist vorbei.

Die Lokalgruppe “Seebrücke Landkreis Ebersberg” ist zufrieden mit dem Ergebnis, übt aber auch Kritik. Manche Ziele wurden erreicht, manche nicht.

Hier ein Rückblick auf den Verlauf der Spendenkampagne.

Am 29. Oktober startete die Kampagne mit einer groß angelegten Sachspendensammlung in der Volksfesthalle Ebersberg. Durch die Erfahrung, welche bereits letztes Jahr gesammelt wurde, und die eingespielten Kooperationspartner*innen lief alles reibungslos ab. “Insbesondere die hohe Qualität der angelieferten Spenden hat uns sehr glücklich gemacht”, so Angela Warg, die als Vertreterin des Kreisjugendring Ebersberg tatkräftig an der Organisation der Sachspendensammlung beteiligt war.

So wurde ein halber LKW des Technischen Hilfswerk (THW) mit hochwertigen Sachspenden zur Organisation “Flüchtlingshilfe Erding e.V. gefahren, von der die Spenden nun gezielt weiterverteilt werden. “Wir bedanken uns vielmals bei allen Kooperationspartner*innen, ohne euch würde das alles nicht stattfinden können” so Judith Seibt, Gründungsmitglied der “Seebrücke Landkreis Ebersberg” und Aktive bei “Seite an Seite e.V.” aus Markt Schwaben.

Neben der Spendenannahme gab es die eindrucksvolle aber auch sehr erschreckende Ausstellung “Grenzerfahrungen” von Pro Asyl zu sehen. Außerdem hatten die Lokalgruppe “Seebrücke Landkreis Ebersberg”, Hauptorganisator der gesamten Spendenkampagne, und Sea Eye e.V., vertreten durch die Münchner Lokalgruppe einen Stand aufgebaut, um alle Spender*innen mit aktuellen Informationen zu der, leider katastrophalen, Menschenrechtssituation an den EU Außengrenzen zu versorgen.

 

Auftaktveranstaltung Spendenkampagne für die Seenotrettung 2022

Auftaktveranstaltung Spendenkampagne für die Seenotrettung 2022

 

Und genau diese, mittlerweile Jahre andauernde katastrophale Situation an den  Außengrenzen Europas wurde im Rahmen der Filmvorführung der Dokumentation “Route 4 – A Dreadful Journey” am Donnerstag 10.11.22 im Jugendzentrum “Jugendinitiative Grafing e.V. (JIG) im Rahmen der Veranstaltungsreihe “kinofüralle” tiefer beleuchtet. Diese Veranstaltung wurde in enger Kooperation mit dem im JIG neu gegründeten Arbeitskreis “Flucht und Asyl” organisiert. “Es ist sehr wichtig, dass sich junge Menschen mit diesen Themen auseinandersetzen und dass wir uns gemeinsam ein Bewusstsein für diese untragbare Situation schaffen. Nur so können wir die Dinge auch ändern”, so Marie Haider, Aktive Jugendliche im AK.

Nach der Filmvorführung gab es eine Diskussionsrunde, für die der ehemalige Vorsitzende von Sea Eye e.V., Jan Ribbeck, extra aus dem Allgäu angereist war. Ziel war es, mit den Zuschauer*innen über  die Inhalte des Films und über die Funktion der zivilen Seenotrettung im Allgemeinen zu diskutieren und diese auch kontrovers zu beleuchten.

Und das war auch sehr notwendig. Der Film berührte und schockierte viele der Anwesenden zutiefst, denn er gibt Einblicke in Situationen und Umstände, die es hierzulande leider nicht mehr oft in der Tagesschau zu sehen gibt, denn sie sind mittlerweile zur grausamen Normalität geworden. “Zur grausamen Normalität eines schizophrenen Europas, das seine Glaubwürdigkeit in Sachen Menschenrechten leichtsinnig verspielt und sich damit politisch in vielen Bereichen zurecht, angreifbar und unglaubwürdig macht. Das muss ein Ende haben. Es braucht endlich einen gerechten staatlichen, europäischen Organisationsprozess, der die Verteilung von geflüchteten Menschen zum Ziel hat. Und außerdem braucht es eine gut ausgestattete Küstenwache im Mittelmeer, die sich dem Thema angemessen annimmt. Die Verantwortung auf eine zivile Seenotrettung, die auf freiwilliger Spendenbasis funktioniert und die sehr überfordert für alle Beteiligten sein kann, das ist so beschämend für die EU. Unser Handeln reproduziert diese Ungerechtigkeit in gewisser Weise, das wissen wir, und doch es es selbstverständlich keine Alternative, die geflüchteten Menschen einfach wohlwissend ertrinken zu lassen”, sagt Leonhard Martz, Referent für offenes und verbandliche Jugendarbeit beim KJR Ebersberg und Gründungsmitglied der Seebrücke Landkreis Ebersberg.

Im Rahmen der Filmvorführung wurden knapp 100,00 Euro für Sea Eye e.V. gesammelt.

Abschließendes Fazit des Abends:  Wir müssen handeln! Und zwar jede*r in dem Umfang wie es möglich ist. Aber Nichtstun und Wegschauen ist keine Option.

 

Spendenkampagne für die Seenotrettung 2022

 

Und genau das passierte dann auch im Rahmen der letzten Veranstaltung der Spendenkampagne. Am Freitag, den 25.11.2022 fand eine fulminante Solidaritätsparty für die Seenotrettung im JIG statt. Die Veranstaltung war ebenfalls in enger Kooperation zwischen der “Seebrücke Landkreis Ebersberg”, dem Arbeitskreis Flucht und Asyl und dem Kreisjugendring Ebersberg organisiert.

So kam es, das am Freitag eine sehr talentierte und vielseitige Crew aus Rap- und Poetrykünstler*innen auf der Bühne der Jugendinitiative Grafing e.V. ordentlich Stimmung machte. Einige von ihnen waren schon Teilnehmer*innen des preisgekrönten KJR Projekts “WORD UP! Rap und Poetry gegen Rassismus und Diskriminierung” , so kam es zu vielen Verbindungen und Synergieeffekten zwischen den bereits bestehenden Gruppen und Projekten im Landkreis. Das erkannte auch das Jugendkomitee Ebersberg und förderte beide Veranstaltungen des AK Flucht und Asyl finanziell.

“Ich bin einfach nur begeistert, wie viel Herz, Verstand und Mut diese jungen Menschen haben und welche wichtigen Botschaften sie mit ihrer Musik vermitteln, da sitzt jeder Satz“, sagt Lena Huppertz, ebenfalls Gründungsmitglied der Lokalgruppe Seebrücke Landkreis Ebersberg. Insbesondere weil die meisten der Künstler*innen selbst eine Fluchtbiographie haben, merkte man oft wie ernst das Thema diesen Jugendlichen ist. Die Musik wirkt da wie ein Katalysator, der versucht, das Negative in etwas Positives zu verwandeln und sich selbst zu ermächtigen – Stichwort Empowerment.

Im Rahmen der Soliparty wurden knapp weitere 300,00 Euro für Sea Eye e.V. gesammelt.

Zwischen den Veranstaltungen bewarb die Seebrücke Landkreis Ebersberg ihre Spendenkampagne in der Presse und auf Social Media. So stieg das Spendenbarometer langsam aber sicher immer etwas weiter an.

Am 30.11 war der Stand des Spendenbarometers bei knapp 2300,00 Euro, es fehlte also noch mehr als die Hälfte, um unser Spendenziel von 5000,00 Euro zu erreichen .

Doch dann kam noch eine Spende eines großzügigen Menschen, der ebenfalls Zuschauer bei der Filmvorführung von Route 4 am 10.11 im JIG war und bereits an diesem Abend eine größere Spendensumme versprach. Dieser Mensch hat sein Wort gehalten und 1500,00 Euro gespendet. Es fehlen immer noch mehr als 1000,00 Euro, um unser Ziel von 5000,00 Euro zu erreichen, deswegen haben wir uns entschlossen abzuwarten, unsere Spendenkampagne weiter laufen zu lassen, bis wir unser Ziel erreicht haben.

Spendenkampagne für die Seenotrettung 2022

 

Also Ende gut alles gut? Natürlich nicht. Finden die Mitglieder der Seebrücke Landkreis Ebersberg.

Die Veranstalter*innen üben insbesondere Kritik an der mangelnden Resonanz der Gemeinden im Landkreis Ebersberg. Auch wenn lokal teilweise schon viel in dem Bereich geleistet wird, wird scheinbar oft vergessen, wie hoch unser Lebensstandard hierzulande ist und dass es angebracht wäre, noch viel mehr der vorhandenen finanziellen Ressourcen in die Menschenrechte zu investieren, auch wenn das Geld nicht unmittelbar vor der eigenen Haustür wirkt.

Die Lokalgruppe Landkreis Ebersberg führt dies folgendermaßen aus:

“Wir haben uns eigentlich mehrere Ziele gesetzt. Neben einer Sachspendensammlung für die Flüchtlingshilfe Erding e.V. und 5000,00 Euro, um die Kosten von einem Rettungstag von Sea Eye e.V., zu decken, wollten wir wenigstens eine der insgesamt 21 Gemeinden im Landkreis Ebersberg davon überzeugen, eine so genannte Schiffs-Patenschaft für ein Boot des Vereins von Sea Eye e.V. zu übernehmen. Bereits einige Wochen vor dem offiziellen Beginn der Spendenkampagne, setzen wir ein Schreiben auf und versendeten dies an alle Bürgermeister*innen im Landkreis Ebersberg. Es kamen leider nur drei Antworten zurück, allesamt Absagen. Im Vergleich dazu, 2021 spendeten wenigstens vier Gemeinden einen kleineren  Betrag, teilweise mit der Bitte, die Spende nicht öffentlich bekannt zu geben, auch Angst vor negativen Resonanzen bezüglich der Mittelverwendung aus der Bevölkerung. Sehr Bedenklich und leider vielsagend, wenn es tatsächlich berechtigte Befürchtungen dieser Art gibt, finden wir.

Und das, obwohl das finanzielle Commitment für eine sogenannte Schiffs-Patenschaft, mit einer Summe ab 2000,00 Euro jährlich für insgesamt zwei Jahre, nicht besonders hoch angesetzt war. Aber es wäre ein starkes Zeichen für ein vorhandenes Problembewusstsein gewesen.

Diese fehlende Resonanz auf der politischen Ebene im Vergleich zur zivilgesellschaftlichen Ebene zeigt uns, dass noch viel Arbeit vor uns liegt. Es fehlt einfach massiv an dem Bewusstsein, dass wir, und damit meinen wir auch jede Gemeinde im Landkreis Ebersberg, Verantwortung für die Situation an den EU-Außengrenzen trägt. Diese Verantwortung zu leugnen ist absurd und wird unseren so oft hochgehaltenen europäischen Werten nicht im Ansatz gerecht. Immerhin profitieren wir hier in Deutschland jeden Tag von den globalen Ausbeutungsstrukturen von Ressourcen und Menschen, die diese Fluchtbewegungen oft auch erst auslösen. Aber so weit wird oft leider nicht gedacht, das ist in gewisser Weise beschämend, so die Meinung der Mitglieder der Seebrücke Landkreis Ebersberg.